Jüdisches Kulturerbe

Wahrscheinlich keine andere Nation mußte während ihrer Existenz solch eine Entwicklung durchmachen, wie die Juden. Tausendjähriger Vorenthalt des historischen Anspruchs auf Heimat und auch Leben in anderen Ländern, Verfolgung und Pogrome haben ihren Höhepunkt in der Bestrebung Hitler – Deutschlands gefunden und zwar die Juden restlos auszurotten. Davids SternZugleich gab es aber nur wenige Nationen, die imstande waren, ihre Lebensfähigkeit, ihr angeborenes Gefühl der Zugehörigkeit, die Fähigkeit sich sowohl im eigenen Lande als auch in der Welt durchsetzen, aufrechtzuerhalten. Es ist also kein Wunder, daß der jüdischen Besiedlung in der ganzen Welt, aber besonders in Europa, eine außerordentliche Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Jedoch nicht immer wurden die Forschungsergebnisse korrekt und unparteiisch dargeboten. Nur mangelhaft wurden dabei die kleineren jüdischen Besiedlungen auf dem Lande unter die Lupe genommen, weil man sich logischerweise auf die größeren Städte konzentrierte. Eines dieser Dörfer, wo die jüdische Gemeinde über 300 Jahre existierte, war das Dorf Slatina, unweit von Horažďovice. Was das Ausmaß der jüdischen Besiedlung angeht (Ghetto, Synagoge, Friedhof), stellt Slatina einen seltenen Komplex dar.

Die Geschichte der Juden in Slatina

Das Dorf Slatina wurde um 1150 gegründet. Im Jahre 1220 wurde hier ein Kirchengut des Sankt Georg Klosters errichtet, das die hiesige Gegend kolonisierte. Dem Kloster gehörte Slatina 56 Jahre an. Im Jahre 1284 verkaufte  Bischof Tobias das Gut an den Burggrafen von Zvikov Bohuslav. Der Preis war 170 Pfund Silber. Dann hat das Gut vielmals seinen Besitzer gewechselt, bis es im Jahre 1691 in Besitz von Václav Lev Jindřich Kunáš von Machovic überging. Unter seiner Herrschaft verzeichnete das Leben des Dorfes großen Wandel. Kunáš folgte dem Beispiel der anderen Adligen dieser Zeit und begann mit der Besiedlung seines Gutes mit Juden. Er ermöglichte ihnen die verlassenen Häuser zu mieten und stellte ihnen Boden zur Verfügung, damit sie eigene Behausungen bauen können. Diese stellten den Grund des Slatiner Ghettos dar. Die Juden waren überwiegend als Getreide- oder Viehhändler tätig, sie trieben auch Hausiererhandel. Als „Schutzjuden“ mußten sie ihrem Beschützer einen großen Teil ihres Einkommens abführen. Schon zu dieser Zeit müssen hier schon jüdische Gottesdienste stattgefunden haben, was die Errichtung des jüdischen Friedhofs bezeugt. Die Errichtung des Friedhofs bewilligte Václav Ferdinand Kunáš mit der Urkunde im Jahre 1723.

Friedhof

Der ursprüngliche Friedhof der Gründungsurkunde nach nur 15 x 15m groß, wurde später ausgebaut, so dass er heute 58 x 28m einnimmt und von einer Steinmauer umgeben ist. Über den Eingang wurde Steinplatte befestigt mit der hebräischen Aufschrift : „Staub bist du und zum Staub kehrst du wieder zurück.“ Gegenwärtig befinden sich auf dem Friedhof 172 Grabsteine in zwei Ausfertigungen. Entweder sind es Granitgrabsteine, die sehr einfach und ohne Ornamente bearbeitet und heute nur schwer zu lesen sind, oder es sind Kalksteinstelen, die meistens durch einen Bogen ergänzt sind. Diese  sind mit stilisierten Blumenmotiven geschmückt. Zu der Slatiner jüdischen Gemeinde gehörten weitere 12 Dörfer, jedoch wurden hier die Juden aus breiter Umgebung bestattet. Die Zahl der hier beerdigten Personen ist  aber wahrscheinlich viel höher.

Synagoge

Die ursprüngliche, aus Holz gebaute Synagoge, war sehr klein (8 x 6 m) und stand im Zentrum vom Ghetto. Im Jahre 1868 kaufte die Gemeinde für 500 Goldstücke ein Grundstück von Herrn Podlešák und erbaute hier ein neues auf ländliche Verhältnisse prachtvolles Gebäude, in der Form, die noch heute zu bewundern ist. In der Synagoge befand sich die Schule, eine Wohnung und der Gebetsraum. Die jüdische Schule, deren Anfänge in das Ende des 17. Jahrhunderts zurück reichen, beendete ihre Aktivitäten im Jahre 1893 – wegen der zu kleinen Anzahl der Kinder.

An dieser Stelle sollte zumindest der Lehrer Isak Schwarz erwähnt werden. Dieser war nicht nur wegen seiner Verdienste für die Gemeinde sondern  fürs ganze Dorf sehr beliebt. Die jüdischen Lehrer waren auch sehr oft Berater der hiesigen Bürgermeister und Dorfrichter.

Die jüdische Gemeinde wurde von einem gewählten Ausschuß an der Spitze mit dem Bürgermeister geleitet. Dieser Ausschuß erledigte die Angelegenheiten der jüdischen Gemeinde, z. B. die Aufstellung des Haushaltes, Instandhaltung der Synagoge und Schule, finanzielle Abführungen an das Rabinat in Blatná, Unterstützung für arme Glaubensgenossen u. ä. Mit der Gründung der jüdischen  Gemeinde in Lažany kam es zur Abschwächung der Gemeinde in  Slatina und auch dies führte unter anderem zur Emigration nach Amerika. Nur im Jahre 1894 waren es 134 Personen, insgesamt dann in den folgenden Jahren fast 250 Personen.

Historisch gesehen scheint in Slatina am wertvollsten das Ghetto, wobei man jedoch zugestehen muß, dass aus dieser Zeit nur die im Plan aus dem Jahre 1837 als Nm. 19, 29, und 31 bezeichneten Gebäude erhalten geblieben sind, wobei diese später zum großen Teil umgebaut worden sind. Den Hauptkern des Ghetto in Slatina bildete eine Anhäufung von Häusern aus Stein und Lehm, etwa 6 x 5m groß. Im Jahre 1846 lebten in 11 solchen Häusern 19 Familien – insgesamt 110 Personen – was ein Drittel der Dorfbevölkerung darstellte. Weitere 19 Juden lebten bei den „Christen“. Nach 1850 begann die Auswanderungswelle der Juden, besonders nach Amerika, zum Teil auch auf den Balkan. Die letzte jüdische Familie verließ Slatina im Jahre 1917.

Das Ghetto wurde auf schlechtem sumpfigem Boden gebaut (Slatina = Moor), wo angeblich ein Brunnen mit Heilwasser qeullte. Im Jahre 1834 wohnten hier 17 Familien, jede dann immer in einem Raum, in einigen sogar zwei Familien zusammen. Heute kann man sich solche Wohnverhältnisse kaum vorstellen, wenn wir zudem noch in Betracht ziehen, dass jede Familie 10 und mehr Kinder haben konnte.  Die Behausungen waren teilweise aus Holz, kombiniert mit Stein und großen Lehmziegeln.

Bedeutung der Juden fürs Leben in Slatina

Der Hauptgrund, warum Kunáš von Machovi die Juden nach Slatina holte, war besonders vorteilhaft für ihn selhat. Das jödische Element verlieh dem Dorf eine bestimmte Urwüchsigkeit. So fanden her z. B. jüdische Bälle statt und zwar in der Gaststätte des Juden Hasterlik. Am Sabat lebte das ganze Dorf auf.Dutzende Juden aus breiter Umgebung mit ihren typischen Kaftanen, Hüten und Vollbärten war sicher ein Spektakel. Interessanten Anblick boten auch die Trauerzüge, die den  Friedhof „na Hradcích“ zum Ziel hatten.

Auch wenn hier zwei ethnische Gruppen nebeneinander lebten, verlief hier das Leben in Ruhe und Einklang. Die Dorfarmen halfen den Juden als Viehtreiber bei dem Viehhandel  bei den Geschäften der Juden in der Umgebung, ja sogar auch in Prag oder Bayern. Träger, Boten, Bauern, die alle boten ihre Arbeit, Fuhrwerke, Vieh und Getreide an. Man kann also sagen , dass die Blütezeit des Judentums in Slatina auch zur Entwicklung der ganzen Gemeinde beitrug. Mit der sich vermindernden  Zahl der Juden leerte sich auch die kostenaufwändige Synagoge, der Unterricht in der Schule wurde aufgegeben, die heranwachsende Generation der Juden zog in die Städte oder nach Amerika . Der ehrfürchtige Jude Mojse Hasterlik hat im Jahre 1989 bei der Bank in Horažďovice 2000 Goldstücke eingelegt, um zu ermöglichen, die Kosten für die Instandhaltung der Synagoge für weitere Jahrzehnte decken zu können und ihr weiteres Bestehen zu sichern. Am 20. September 1917 verließ der letzte Jude – Karel Sabath das Dorf Slatina und zog nach Kasejovice um. In demselben Jahr kaufte für 10 800 Kronen der Händler und Musiklehrer Karel Volmut die Synagoge. Die Schule und Synagoge wurden umgebaut und dienten als Geschäft und Bauernhof. Nach dem zweiten Weltkrieg verließ auch er das Gebäude und zog um. Der Bau diente dann zu verschiedenen Zwecken der neu gegründeten LPG. Unter anderem wurden hier künstliche Düngemittel gelagert.  Und so schien es, dass das Schicksal der Synagoge besiegelt ist.  Kurz bevor das Gebäude abgerissen werden sollte, verkaufte es die LPG in private Hände. Die neuen Besitzer haben dann die Synagoge, die unter Denkmalschutz steht, renoviert.

Im Rahmen der ICOMOS – Forschung (UNESCO) mit Sitz in Paris wurda Slatina von Rivka und Ben Zio Dorfmann aus der israelischen ICOMOS Niederlassung besucht. Das Resultat dieses Besuchs war die Empfehlung, mit Hilfe von Organisationen, Stiftungen und Sponsorem auch den jüdischen Friedhof zu retten uns so den ganzen Komplex für die nächsten Generationen bewahren zu können.

Bearbeitet mit der Ausnutzung der Unterlagen von Herrn Josef Smitka
Übersetzt von: Jan Vápeník